Wenn eines eine Reise tut

14. Mai, 10:00 Uhr. Wir sind 46. Da bin ich nach mehrfachem Zählen sicher geworden. Der Bus von Holger Tours ist voll, beinahe alle Plätze besetzt. Viele bekannte Gesichter. Einige neue. Ich freu mich über jeden und jede, die mit uns fährt.

Der Bus rumpelt durch die Senken am Ortsausgang. Fast falle ich einer Teilnehmerin auf den Schoß. Zum Glück finde ich rechtzeitig Halt. Es gilt, die Teilnehmer:innen-Gebühr einzusammeln und die Speisekarte unserer Gaststätte ein ums andere Mal mitzuteilen.

Was darfs denn sein im Brauhaus zum Ritter? Vielleicht der Schwabenteller? Oder das Brauergulasch? Nein? Die Brezelknödelscheiben mit frischen Rahmpilzen machen oft genug das Rennen. Dazu vielleicht ein Beilagensalat? Prima, da läuft einem schon beim Hören das Wasser im Mund zusammen.

Westhofen zu Gast in Schwetzingen. Vom Bus aus sind es wenige Meter nur bis zum Schloss und Schlossgarten. Kaum angekommen müssen wir uns eilen, die Führungen beginnen gleich.

Ich bin in der zweiten Gruppe – schnell noch das Essen im Brauhaus bestellen und dann zurück. Die anderen sind noch nicht weit, ich hole sie im Empfangszimmer ein. Dort stehen sie beim Bildnis der „Jagdszene“ – im Geleitwort habe ich davon erzählt. Überall hängen Ölgemälde an den Wänden, sie zeigen herrschaftlich Carl Theodor, den Kurfürsten. Seine Gemahlin, Elisabeth Auguste, ist ebenfalls vertreten.

Wir durchschreiten eine Tür. Das Empfangszimmer für den Adel, lerne ich. Natürlich: das sogenannte „einfache Volk“ wollte man sich doch lieber etwas fernhalten. Umso erstaunlicher, dass der Kurfürst regelmäßig Audienzen abhielt und dort – nach Terminvergabe – für jeden zu sprechen war. Wirklich für jeden. Er war ein Aufgeklärter und hat einiges getan für sein Volk. Kostenfreie Besuche im schlossangrenzenden Paradies-Garten (mit sage und schreibe 34 Km Wegenetz!), kostenloser Eintritt in Museen und auch im Theater. Das gab es sogar irgendwann auf Deutsch. Da schau an.

Die Räume sind abgedunkelt. „Das muss so sein“, sagt unser Führer. „Die Tapeten, aus feinstem Seidenstoff, auf Holzrahmen gespannt, sind mit Naturfarben bemalt“. „Und wie …“, denke ich mir. Die Fülle der Ornamentik ist kaum auszuhalten. Da kann einem schon fast schwindelig werden vor lauter Pracht. „Die Farben bleichen aus, wenn sie der Sonne oder Blitzlicht (strenger Blick in die Runde …) ausgesetzt werden.“

Wir sind im Schlafzimmer des hohen Herren angekommen. Das Bett ist kurz, kaum 1,80m lang. „Sie denken bestimmt, die Leute waren einfach kleiner damals, oder?“ fragt unser Führer erwartungsvoll. Wir nicken brav. „Mitnichten. Die Leute fürchteten eines besonders: eine Erkältung. Die zog oft genug eine Lungenentzündung nach sich. Ein Todesurteil. Darum schlief man gewissermaßen im Sitzen. Außerdem bekommt man so besser Luft.“ „Klingt unbequem“, denke ich, und: „Gott sei Dank haben wir Antibiotika.“

Aber die Furcht vor Erkältung treibt noch andere Blüten: Wir sehen ein prachtvolles Paravent vor dem Kamin. „Sie fragen sich gewiss, warum das Paravent vor dem Kamin steht“, höre ich den Führer. Bislang nicht. Ich jedenfalls nicht. Ich hatte es noch gar nicht bemerkt, so vieles gibt es in diesem Raum zu sehen. Aber jetzt, wo er es sagt …

„Überlegen Sie mal: dieses Schloss war stets nur Sommerresidenz für den Kurfürsten und seinen ca. 1500 Personen umfassenden Tross. Die Kamine haben niemals gebrannt. Sie dienten allein der Belüftung. So kam immer frische Luft in die Zimmer. Jetzt denken Sie noch mal an die Furcht vor Erkältung … der Paravent schützte den Kurfürsten vor dieser Zugluft. Im Bett. Beim Frühstück.“

Man lernt nie aus! Und so geht es weiter. Von Raum zu Raum. Überall gibt es Spannendes zu entdecken, vieles muss man gezeigt bekommen und die Führung ist einfach durchweg großartig und unterhaltsam. Und eigentlich viel zu schnell vorbei.

Aber jetzt haben wir Hunger. Im Brauhaus erwartet man uns schon. Das Essen ist köstlich, reichlich, ein Gaumen- und Augenschmaus. Ich genieße meine Brezelknödelscheiben im Schatten der weißen Schirme – und dazu ein vor Ort gebrautes Helles. Richtig gut! Anschließend gibt es ein Eis und es reicht sogar noch für einen Gang durch den beeindruckenden Schlossgarten.

Auf der Rückfahrt bin ich gesättigt. Von meinen Eindrücken. Auch vom Essen. Und besonders von der Freude dieses Tages. Es ist einfach schön, mit so vielen gut gelaunten und fröhlichen Menschen eine Reise zu tun. Dann hat man was zu erzählen … bis zum nächsten Mal!

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